Können Zeichen von Religionszugehörigkeit verboten werden?
Stellungnahme der „HALDE“
Die oberste französische Behörde zum Schutz gegen Diskriminierungen „HALDE“ („Haute Autorité de Lutte contre les Discriminations“) war jüngst zur Rechtmäßigkeit von internen Betriebsanweisungen, die das Tragen von religiösen Zeichen reglementieren sollten, angerufen worden. In ihrer Stellungnahme vom 6. April 2009 berief sich die „HALDE“ zunächst auf Art. 9 der europäischen Menschenrechte, der sowohl die Gewissens- als auch die Meinungsfreiheit des Einzelnen garantiert. Auf dieser Grundlage ist das Tragen von Bekleidungsstücken oder von Zeichen, die die Zugehörigkeit zu einer religiösen oder politisch/philosophischen Bewegung öffentlich zum Ausdruck bringen, Ausfluss des Rechtes auf Religions- und Gewissensfreiheit.
Das Laizitätsprinzip, das durch europäisches und französisches Recht sowie die Rechtsprechung garantiert ist, fordert von den öffentlichen Angestellten eine strikte Neutralität in deren Auftritt (Kleidung) und Äußerungen bei der Ausübung ihrer Funktionen. Dies gilt ebenfalls grundsätzlich für Privatunternehmen. Aber auch die Arbeitnehmer müssen gewisse Begrenzungen akzeptieren und zwar:
• Jeglicher Bekehrungseifer, der den normalen Betriebsablauf behindert, kann vom Arbeitgeber verboten und bestraft werden.
• Die Redefreiheit darf nicht missbräuchlich ausgenutzt werden.
• Jegliches Unterdrucksetzen oder Aggressionen gegenüber den anderen Mitarbeitern sind verboten.
• Forderungen auf Teilnahme an religiösen Festen oder von speziellen Arbeitszeiten müssen sich mit der Notwendigkeit des betrieblichen Ablaufes vereinbaren lassen.
Dem Arbeitgeber steht darüber hinaus das Recht zu, das sich z.B. aus Gründen der Sicherheit ergibt, weitere Einschränkungen vorzusehen. So kann z.B. das Tragen eines Kleidungsstückes mit der obligatorischen Arbeitsschutzkleidung im Widerspruch stehen. Ebenfalls kann sich aus dem Inhalt der Arbeit, insbesondere bei ihrer Ausführung, eine Rechtfertigung für eine weitere Einschränkung der obigen Rechte des Arbeitnehmers ableiten. Der bloße Kontakt zum Kunden kann jedoch für sich allein keine entsprechende Limitierung begründen. Hier ist vielmehr auf die Häufigkeit sowie die Verhältnismäßigkeit abzustellen.
Schließlich empfiehlt die „HALDE“ den Arbeitgebern, die in ihren internen Betriebsregelungen die Ausübung der Religions- und Gewissensfreiheit ihrer Mitarbeiter einschränken möchten, die entsprechenden Vorschriften sehr präzise und eindeutig zu beschreiben, um eine generelle und absolute Untersagung zu vermeiden. Die Klausel sollte sich laut „HALDE“ auf Art. L1121-1 des Arbeitsrechtes beziehen und auf die Umstände, die eine entsprechende Limitierung erforderlich machen, hinweisen. Letztlich sollte die Klausel mit den Betroffenen diskutiert werden.
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