Montag, 2. Mai 2011

Belegschaftsverkäufe

Keine Toleranzgrenze für Preisnachlässe durch die Muttergesellschaft
Sozialversicherungspflichtige Sachbezüge für die Belegschaft

Die von der Muttergesellschaft an die Belegschaft des Tochterunternehmens gewährten Preisnachlässe stellen sozialversicherungspflichtige Sachbezüge dar.

So die Sozialkammer des Kassationsgerichtshofes mit Urteil vom 22. Februar 2011, womit er seine bisherige Rechtsprechung bestätigte. Wir berichteten bereits in einem ähnlichen Fall in unserer DiagnosticNews-Ausgabe Nr. 63.

Dem obigen Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Mitarbeiter der Gesellschaft eines Tochterunternehmens der Fiat-Gruppe hatten die Möglichkeit, jährlich sechs Autos dieser Marke für sich persönlich oder auch für ihre Familienangehörige zu einem Abschlag von 19 bis 26% zu kaufen. Hierzu konnte noch ein Treuebonus basierend auf der Gesamtzahl der erworbenen Fahrzeuge kommen.

Der Kassationsgerichtshof verwarf die vorgebrachten Argumente, die Belegschaft könne sich auf den Ministererlass von 2003 berufen, wonach Preisnachlässe an Mitarbeiter bis zu 30% von der Sozialversicherung befreit wären. Der Erlass gehe, so das Gericht, von Reduzierungen auf Waren aus, die von der Gesellschaft selbst produziert würden. Fahrzeuge, die von der Muttergesellschaft hergestellt würden, fielen nicht unter diese Befreiung. Die Nachlässe waren dementsprechend der Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung zuzurechnen.

Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit

Heranzuziehende Elemente

Der Antrag auf Konkurs ist nach französischem Handelsrecht erst bei Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Die Überschuldung des Unternehmens ist nicht ausreichend. Deshalb ist es umso wichtiger zu wissen, welche Elemente den Zustand der Zahlungsunfähigkeit charakterisieren.

So befindet sich laut Urteil vom 15. Februar 2011 der Handelskammer des Kassationsgerichtshofes ein Unternehmen noch nicht im Zustand der Zahlungsunfähigkeit, wenn es seinen fälligen Schulden eine Kreditreserve oder auch ein Moratorium entgegenhalten kann. Es ist also laut Gericht nicht entscheidend, inwieweit die fälligen Passiva tatsächlich eingefordert werden können, sondern vielmehr welche anderen Aktivpositionen und sonstigen Rechte der Zahlungsunfähigkeit gegenüber stehen. Ein noch nicht verkaufter Geschäftswert („fonds de commerce") oder auch ein nicht veräußertes Betriebsgebäude stellen hingegen keinen verfügbaren Aktivposten dar und, so der Kassationsgerichtshof, können damit auch nicht als Konkursaufschiebungsgrund geltend gemacht werden.

Freitag, 29. April 2011

Fortbestand („portabilité") der Ansprüche eines ausgeschiedenen Arbeitnehmers

Zwei unterschiedliche Anwendungsfälle

1. Zusatzkranken- („mutuelle") und Vorsorgeversicherung („prévoyance")
Seit dem 1. Juli 2009 sind alle UnternehmenuntergewissenVoraussetzungen verpflichtet, ihren ausgeschiedenen Mitarbeitern - soweit dies gewünscht wird - die Prämien für die obigen Versicherungen für einen Maximalzeitraum von neun Monaten weiterzuzahlen. Der Anspruch setzt voraus, dass der ehemalige Arbeitnehmer während seiner Betriebszugehörigkeit über ein entsprechendes Recht tatsächlich verfügte. So sehen z.B. viele interne Betriebsvereinbarungen eine Mindestzugehörigkeit im Unternehmen von einem Jahr vor. Des Weiteren steht der Anspruch nur arbeitslosen Personen zu. Der ausgeschiedene Mitarbeiter muss deshalb monatlich seinem alten Arbeitgeber einen Nachweis über den Bezug von Arbeitslosengeld erbringen.

2. Individuelles Fortbildungsrecht („DIF")
Dieses seit einigen Jahren existierende individuelle Fortbildungsrecht („droit individuel à la formation", „DIF"), das zunehmend aufgrund der damit verbundenen Zahlen an Bedeutung gewinnt, besteht mit Gesetz vom 26. November 2009 auch nach Beendigung des Arbeitsvertrages weiter. Danach kann der „DIF" - jährlicher Fortbildungsanspruch von 20 Stunden, der maximal kumuliert 120 Stunden betragen kann - der bei Kündigung des Mitarbeiters noch nicht genutzt wurde, weiter geltend gemacht werden. Zuzüglich zum bestehenden Stundenausgleich steht dem ausscheidenden Arbeitnehmer ein Pauschalbetrag von 9,15 D pro Stunde für die gewünschte Fortbildung zu.

Der Anspruch entfällt lediglich bei einer Kündigung wegen schweren Fehlverhaltens („faute lourde"), der jedoch bisher nur selten von den Gerichten angenommen wurde, da er eine Schädigungsabsicht des Mitarbeiters voraussetzt.

Der ausgeschiedene Arbeitnehmer kann sein „DIF"-Recht während der Dauer von zwei Jahren bei seinem neuen Arbeit- geber geltend machen. Die Kosten hierfür, begrenzt auf einen Pauschalbetrag von 9,15 D pro geltend gemachter DIF-Stunde, sind von dem zuständigen Fort- bildungsorganismus („OPCA") zu tragen.

Im Arbeitszeugnis des ausgeschiedenen Arbeitnehmers sind deshalb die noch bestehenden Stunden und die zuständige „OPCA" anzugeben.

Die finanziellen und administrativen Auswirkungen aus den beiden angeführten Ansprüchen eines ausgeschiedenen Mitarbeiters sind nicht unerheblich. Ihre Folgen können durch vorbeugende Maßnahmen teilweise abgemildert werden.

Dienstag, 26. April 2011

Sind Pausenzeiten Bestandteil der Gehaltsbezüge?

Auswirkungen auf den gesetzlichen Mindestlohn („SMIC")

Frankreich kennt seit vielen Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn, der auf einem von der Regierung jährlich festgelegten Stundensatz basiert. In dem zugrundeliegenden Urteil des Strafsenats des Kassationsgerichtshofes vom 15. Februar 2011 ging es um die Frage, ob die bezahlten Pausenzeiten Bestandteil des Mindestlohnes sind und deshalb bei der Errechnung des „SMIC" berücksichtigt werden können.

Das Gericht verneinte die Frage. Danach stellen die Pausenzeiten keine effektiven Arbeitszeiten dar. Der Arbeitnehmer untersteht in dieser Zeit nicht den Weisungen des Arbeitgebers und kann frei seinen persönlichen Beschäftigungen nachgehen.

Für die Berechnungshöhe des „SMIC" ist von dem Stundenlohn für die effektiv geleistete Arbeitszeit auszugehen. Sachbezüge und sonstige Vorteile, die einen weiteren Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen, sind zusätzlich zu berücksichtigen und erhöhen den „SMIC". Der Ausgleich für die Pausenzeiten ist in gleicher Weise zu behandeln, d.h. er kann von dem Mindeststundenlohn („SMIC") nicht abgezogen werden.

Der angeklagte Arbeitgeber hatte deshalb zu Unrecht den zu zahlenden Mindeststundenlohn um die Pausenzeiten geschmälert und machte sich deshalb eines strafrechtlichen Vergehens des Arbeitsrechts schuldig.

Frauenquote in französischen Aufsichtsräten

Progressive Repräsentanz in Aktiengesellschaften

Durch Gesetz vom 27. Januar 2011 wurde eine progressive Repräsentanzpflicht von Frauen im Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat von börsennotierten und zu einem späteren Zeitpunkt auch von nicht notierten Aktiengesellschaften eingeführt. Dabei ist zu unterscheiden: Für alle börsennotierten Unternehmen, die bisher noch keine Frau in ihrem Aufsichtsgremium auswiesen, ist eine Bestellung zumindest einer weiblichen Person spätestens in der nächsten außerordentlichen Hauptversammlung, die über die Nominierung von Aufsichtsratsmitgliedern zu beschließen hat, vorzunehmen.

Soweit das börsennotierte Unternehmen bereits über eine Frauenvertretung in seinem Aufsichtsgremium verfügt, muss bis 1. Januar 2014 deren Präsenz auf 20% und bis 1. Januar 2017 auf 40% angehoben werden. Im Bericht des Präsidenten der Gesellschaft hinsichtlich des internen Kontrollsystems des Unternehmens ist zur Anwendung dieser Gesetzesvorschrift Stellung zu nehmen.

Für alle nicht börsennotierten Aktiengesellschaften besteht noch eine längere Zeitschiene. Hier entsteht erst ab dem 1. Januar 2020 Handlungsbedarf. Danach sind ab diesem Zeitpunkt alle Aktiengesellschaften, die drei Jahre lang zumindest zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen, betroffen: 500 Mitarbeiter, 50 Mio. D Umsatz oder eine Bilanzsumme von 50 Mio. D. Liegen diese Bedingungen vor, so sind ab dem obigen Datum die Aufsichtsgremien zu 40% mit Frauen zu besetzen.

Die Nichteinhaltung der neuen Gesetzesvorschrift führt zur Nichtigkeit der Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsgremiums und zum Verbot von Sitzungsgeldzahlungen („jetons de présence").

Mittwoch, 20. April 2011

Abweisung von ungedeckten Schecks trotz Überziehungskredit

Schadensersatzpflicht der Bank

Eine Bank richtete einem Kunden ein laufendes Bankkonto verbunden mit einem Überziehungskredit über einen bestimmten Betrag ein. Nachdem mehrere vorgelegte Schecks von der Bank mangels eines positiven Guthabenstandes des Kunden nicht eingelöst wurden, schloss das Bankinstitut das Konto und präsentierte ihm den Schuldsaldo. Die von der Bank eingereichte Klage auf Zahlung der Außenstände wurde abgewiesen.

Der Kassationsgerichtshof für Handelssachen warf der Bank mit Urteil vom 18. Januar 2011 vor, dass sie trotz Einräumung eines Überziehungskredits, der im vorliegenden Fall sogar noch nicht einmal voll ausgeschöpft worden war, die eingereichten Schecks nicht eingelöst habe. Dem Kontoinhaber hingegen wurde ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Bank zugesprochen und dies insbesondere, da ihm nur einmal vor Ablehnung des ersten Schecks ein Verweis wegen mangelnder Kontodeckung erteilt worden war. Laut Gericht hätte dem Kunden vor jeder Scheckabweisung eine Mahnung zugeschickt werden müssen.

Obligatorische Mindestsubvention des Betriebsrats

Verjährung des Anspruchsrechts

Die obligatorische Mindestsubvention, die ein Unternehmen an seinen Betriebsrat („comité d'entreprise" oder „CE") für dessen Verwaltungs- und Funktionskosten jährlich zu entrichten hat, beläuft sich auf 0,20% der Bruttolohnsumme der Gesellschaft. Darüber hinaus - wir berichteten bereits hierüber - unterstützt das Unternehmen in der Regel durch weitere Beträge, die jedoch keiner gesetzlichen Mindestregelung unterliegen, sein „CE".

Der Betriebsrat verfügt über eine Einspruchsfrist von fünf Jahren, innerhalb derer er die Höhe dieser obligatorischen Zuwendung anfechten kann.

Der Beginn der Fünfjahresfrist startet nicht bereits mit der Zahlung, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Übergabe der Dokumente, die dem Betriebsrat die Überprüfung der Richtigkeit des Geldbetrages ermöglichen. Bei einem möglichen Streitfall kann dadurch eine erhebliche Verlängerung der Einspruchsfrist eintreten.

Um jegliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, bzw. zeitlich zu limitieren, empfiehlt es sich für den Arbeitgeber deshalb, dem „CE" jährlich die Unterlagen auszuhändigen, die die Berechnung der „subvention de fonctionnement", bzw. gegebenenfalls des beanspruchten Differenzbetrags ermöglichen. Damit wird zumindest eine Verlängerung der fünfjährigen Einspruchsfrist verhindert, so das Urteil der Sozialkammer des Kassationsgerichtshofes vom 1. Februar 2011.